In den letzten Wochen habe ich mich mit „Focusing“ beschäftigt. Entwickelt wurde diese „Technik“ von Prof. Dr. Eugene T. Gendlin, der Präsident des Internationalen Focusing-Instituts New York ist und an der Universität Chicago Verhaltenswissenschaften und Philosophie lehrte. Prof. Gendlin zeigt uns, wie wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere Körpermitte richten können, um wahrzunehmen, was wir dort fühlen können. Doch das, was wir dort in unserem Innern wahrnehmen, ist mehr als wir zunächst in Worte kleiden können. Wir kennen die Emotionen Angst, Ärger, Wut … Das, was wir aber in unserem Innern wahrnehmen, ist „breiter“ und geht viel tiefer. Es ist ein unbestimmtes, unerklärliches, oft auch unangenehmes Gefühl, das wir zunächst nicht in Worte fassen können. Unser Körper ist allerdings in der Lage, Worte für diese Wahrnehmung zu finden, ja unser Körper, nicht unser Verstand! Wir können unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper, oft ist es unsere Körpermitte, richten und dieses Gefühl, Gendlin nennt es „Felt Sense“, befragen, was es uns denn sagen will. Jetzt ist es wichtig, uns Zeit zu geben, damit unser Körper Worte und Bilder findet (nicht der Verstand), die wir als „richtig“ empfinden. Die Worte, die dann kommen, haben eine besondere Qualität, sie gehen tiefer und zeigen in eine neue Richtung. Wenn ich das richtige Wort, mit der richtigen Bedeutung gefunden habe, folgt im Körper eine Erleichterung, als ob er sagen wollte: endlich hast Du mich gehört und nimmst mich ernst! Gendlin nennt diese Erleichterung einen „Shift“. Aus diesem „kleinen“ Schritt folgt meist eine Lösung des Problems und eine persönliche Weiterentwicklung. Das was Gendlin mit dem „Focusing“ aufzeigt, ist ein natürlicher Vorgang in unserem Körper.
Ich gehe davon aus, das jeder von uns schon einmal „Focusing“ gemacht hat, ohne es zu wissen. Doch es ist wichtig, Bewusstsein zu entwickeln, damit wir in Problemzeiten unsere Körperweisheit befragen können. Unser Verstand gibt uns meist keine Lösung. Oft hängen wir in Endlosschleifen in den immer gleichen Gedankengängen fest, wie in einem Gefängnis. Unser Körper bringt uns die Öffnung, die Erleichterung und die Lösung und damit eine persönliche Weiterentwicklung. Wir wachsen über uns hinaus!
In meinem Gesangsunterricht „Singen im freien Klang“ ( jetzt in Oldenburg und Überlingen) geht es auch darum, das Bewusstsein in die eigene Mitte zu führen und sich zu fühlen. Gerade in negativen Gefühlswahrnehmungen liegen unsere größten Entwicklungschancen. Aus unserer Mitte zu singen, bedeutet, in unserer körperlich-seelischen Balance zu sein. Dann fühle ich die Bedeutung der Liedtexte und kann sie frei singen. Es fühlt sich dann ganz leicht an, die Stimme bekommt Flügel, der Körper fühlt sich durchströmt und beglückt an. Ja, wir beglücken uns selbst und alle die uns singen hören. Wir wachsen über uns hinaus! PS. Die Bücher von Eugene T. Gendlin sind lesenswert und bewusstseinserweiternd. Man spürt zwischen den Zeilen eine wunderbare Persönlichkeit.