Wenn ich in eine öffentliche Probe gehe, in der Gesangs- oder Instrumentalunterricht gegeben wird, fällt mir auf, dass sich wenige Lehrer um die Seele der Stücke kümmern, die der Schüler singt oder spielt. Meist geht es um gute Aussprache, technische Feinheiten, piano oder forte. Doch wenn ich singe oder spiele, ohne etwas zu empfinden, wenn ich nur an den „Problemen“ feile, wenn ich Gefühle „mache“, so wie ich sie mir vorstelle, bleibe ich immer in meinem Kopf und komme nicht in meine Mitte. Wenn der Musiker nichs empfindet, wie soll denn der Zuhörer etwas empfinden (außer Langeweile). Auch die gestressten Empfindungen eines Musikers übertragen sich auf den Zuhörer. So kann es mir als Zuhörer passieren, dass ich mit Unterarmschmerzen aus einem Klavierkonzert gehe – ich übernehme die Verkrampfungen des Pianisten. Das beseelte Musizieren kann nur gelingen, wenn der Musiker sich in seiner Mitte (Zwerchfell, Sonnengeflecht) entspannt und sich in freudiger Erwartung auf die Musik einlässt. Dann kann der berühmte „Flow“ entstehen.